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Hyperhidrose (Übermässiges Schwitzen): Ursachen, Symptome und alle aktuellen Behandlungsmöglichkeiten im Überblick

Übermässiges, unkontrollierbares Schwitzen – medizinisch als Hyperhidrose (auch Hyperhidrosis genannt) bezeichnet – ist für Betroffene oft weit mehr als nur ein kosmetisches Ärgernis. Es kann zu einer erheblichen psychischen Belastung führen, das soziale Leben beeinträchtigen und die Lebensqualität massiv mindern. Viele Menschen mit Hyperhidrose fühlen sich im Alltag unsicher, meiden bestimmte Situationen oder leiden unter den sichtbaren Folgen wie durchnässter Kleidung (Schweißflecken) und der ständigen Sorge vor Geruchsbildung. Dieses starke Schwitzen tritt häufig auch ohne ersichtlichen Grund wie Hitze oder Sport oder sonstige körperliche Anstrengung auf.

Als Facharzt für Chirurgie mit Tätigkeitsschwerpunkten in ästhetischen und plastischen Operationen begegne ich immer wieder Patientinnen und Patienten, bei denen übermässiges Schwitzen einen hohen Leidensdruck verursacht und die nach effektiven Lösungen suchen. Glücklicherweise gibt es heute eine Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten, die individuell angepasst werden können, um die starke Schweißbildung zu bessern. Dieser Artikel soll Ihnen einen umfassenden und verständlichen Überblick über die Ursachen, Formen, Diagnoseverfahren und vor allem die verschiedenen Therapieoptionen der Hyperhidrose geben, basierend auf aktuellen medizinischen Erkenntnissen.

Dr. med. Özcan Güler
Dr. med. Özcan Güler
  • Ich bin Gründer und ärztlicher Leiter einer Klinik für ästhetische Chirurgie in Dortmund, Facharzt für Chirurgie mit den Tätigkeitsschwerpunkten ästhetische und plastische Operationen.

Definition: Was genau ist Hyperhidrose?

Hyperhidrose ist eine Erkrankung, die durch eine übermässige Schweißproduktion der ekkrinen Schweißdrüsen gekennzeichnet ist, die über das zur Regulation der Körpertemperatur erforderliche Maß hinausgeht bedeutet wörtlich „zu viel Schwitzen“. Es handelt sich um eine Funktionsstörung der ekkrinen Schweißdrüsen, bei der mehr Schweiß produziert wird, als für die Kühlung des Körpers notwendig wäre. Dieses übermässige Schwitzen tritt oft unabhängig von der Umgebungstemperatur oder körperlicher Anstrengung auf und kann nicht willentlich kontrolliert werden. Bei der Hyperhidrose hingegen ist die Schweißbildung pathologisch gesteigert.

Formen der Hyperhidrose: Primär vs. Sekundär, Fokal vs. Generalisiert

Ärztinnen und Ärzte unterscheiden verschiedene Formen der Hyperhidrose:

  • Primäre (idiopathische oder essentielle) Hyperhidrose:

    • Tritt meist ohne erkennbare Grunderkrankung auf.

    • Beginnt oft schon in der Kindheit oder Pubertät.

    • Typischerweise fokal (lokalisiert) auf bestimmte Körperbereiche.

  • Sekundäre Hyperhidrose:

    • Tritt als Symptom einer anderen Grunderkrankung oder als Nebenwirkung durch die Einnahme bestimmter Medikamente auf.

    • Oft generalisiert (am ganzen Körper).

Zudem unterscheidet man nach der Lokalisation des Schwitzens:

  • Fokale Hyperhidrose: Betrifft nur bestimmte Körperregionen. Am häufigsten sind:

    • Axilläre Hyperhidrose: Übermässiges Schwitzen unter den Achseln (im Bereich der Achseln).

    • Palmare Hyperhidrose: Schweißnasse Hände (Schweißhände), betrifft die Handflächen.

    • Plantare Hyperhidrose: Schweißnasse Füße, betrifft die Fußsohlen.

    • Kraniofaziale Hyperhidrose: Übermässiges Schwitzen im Gesichts- und Kopfbereich.

    • Seltener auch Rumpf, Leisten.

  • Generalisierte Hyperhidrose: Übermässiges Schwitzen am gesamten Körper. Es kann auch nur eine Körper- oder Gesichtshälfte betroffen sein.

Ursachen: Warum schwitzen manche Menschen übermässig?

Die Ursachen der Hyperhidrose sind je nach Form unterschiedlich:

Primäre (idiopathische) Hyperhidrose

Bei der primären Hyperhidrose ist die genaue Ursache oft nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass eine Überaktivität des sympathischen Nervensystems (kurz: Sympathikus), einem Teil des vegetativen Nervensystems, vorliegt. Dieses sendet übersteigerte Signale an die Schweißdrüsen, auch wenn keine Notwendigkeit zur Kühlung besteht. Emotionale Faktoren wie Stress, Angst oder Aufregung können die Schweißabsonderung bei primärer Hyperhidrose auslösen oder verstärken.

Sekundäre Hyperhidrose

Bei der sekundären Hyperhidrose ist das übermässige Schwitzen ein Symptom einer anderen zugrundeliegenden Ursache. Mögliche Auslöser sind hormonelle Störungen, neurologische Erkrankungen, bestimmte Medikamente (durch Einnahme), Infektionen oder Krebserkrankungen. Hier ist die Behandlung der Grunderkrankung entscheidend.

Wichtig

Bei neu auftretendem, generalisiertem oder nächtlichem Schwitzen sollte immer eine ärztliche Abklärung erfolgen, um eine sekundäre Hyperhidrose auszuschließen oder deren Ursache zu behandeln.

Symptome und Auswirkungen: Mehr als nur feuchte Haut bei Hyperhidrose schwitzen Betroffene stark

Das Hauptsymptom der Hyperhidrose ist das sichtbare, unkontrollierbare, übermässig starke Schwitzen, das in keinem Verhältnis zur Umgebungstemperatur oder körperlicher Anstrengung steht. Dies kann zu Schweißflecken, feuchten Händen (Schweißhänden) und Füßen führen und den Alltag der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Die ständige Feuchtigkeit kann Hautprobleme wie Mazeration, Ekzeme oder Pilzinfektionen begünstigen. Darüber hinaus leiden viele Menschen mit Hyperhidrose unter einer erheblichen psychischen Belastung und sozialen Einschränkungen. Der Leidensdruck ist oft sehr hoch.

Diagnose der Hyperhidrose: Wie wird sie festgestellt und der Schweregrad bestimmt?

Die Diagnose der Hyperhidrose basiert zunächst auf einer sorgfältigen Erhebung der Krankengeschichte und einer körperlichen Untersuchung.

Anamnese und körperliche Untersuchung

Der Arzt wird detaillierte Fragen stellen, um die Art, Lokalisation und den Schweregrad des übermässigen Schwitzens zu erfassen.

Spezifische Tests (z.B. Minor-Jod-Stärke-Test, Gravimetrie)

Zur Objektivierung des Schweregrads und zur genauen Lokalisation der betroffenen Areale können verschiedene Tests eingesetzt werden:

Jod-Stärke-Test:** Die Haut wird mit einer Jodlösung bestrichen und anschließend mit Stärkepulver bestäubt. Bereiche, in denen Betroffene stark schwitzen, verfärben sich dunkelblau bis schwarz. Dies hilft, die genaue Ausdehnung der schwitzenden Areale zu visualisieren.

  • Gravimetrie: Ein Filterpapier wird für eine bestimmte Zeit auf das betroffene Hautareal gelegt und vor sowie nach der Anwendung gewogen. Die Gewichtszunahme entspricht der ausgeschwitzten Schweißmenge. Dies hilft, den Schweregrad der Hyperhidrose objektiv zu messen.

Zusätzlich können Blutuntersuchungen oder andere Tests notwendig sein, um eine sekundäre Hyperhidrose auszuschließen.

Behandlung der Hyperhidrose: Ein Überblick über die Möglichkeiten (``Was kann man tun?``)

Glücklicherweise steht heute ein breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten für die Hyperhidrose zur Verfügung. Die Wahl der Therapie hängt von der Form und dem Schweregrad der Hyperhidrose, den betroffenen Körperregionen (z.B. Achseln, Handflächen, Fußsohlen), dem Leidensdruck des Patienten sowie von individuellen Faktoren und Präferenzen ab. Ziel ist es, die Schweißbildung zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu bessern.

Konservative und Topische Therapien

Antitranspirantien (Aluminiumchlorid-Präparate)

Dies ist oft die erste Behandlungsoption, insbesondere bei axillärer Hyperhidrose. Antitranspirantien enthalten Aluminiumsalze, die die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen vorübergehend verengen oder blockieren.

Pflanzliche Mittel und Hausmittel (mit kritischer Betrachtung)

Salbei oder Entspannungstechniken werden manchmal genannt. Ihre Wirksamkeit bei manifester Hyperhidrose ist wissenschaftlich meist nicht ausreichend belegt, sie können aber im Einzelfall unterstützend wirken.

Leitungswasser-Iontophorese

Eine bewährte Methode, insbesondere für die palmare (Schweißhände) und plantare Hyperhidrose. Dabei werden die betroffenen Körperteile in Wasserbäder getaucht, durch die ein schwacher Gleichstrom geleitet wird.

Systemische medikamentöse Therapie (Tabletten durch Einnahme)

Wenn topische Therapien oder die Iontophorese nicht ausreichend wirken oder bei generalisierter Hyperhidrose, können Medikamente in Tablettenform eingesetzt werden.

Anticholinergika

Diese Medikamente hemmen die Wirkung des Nervenbotenstoffs Acetylcholin, der auch die Schweißdrüsen aktiviert. Sie können die Schweißbildung im ganzen Körper reduzieren, haben aber oft systemische Nebenwirkungen (z.B. Mundtrockenheit). Die Einnahme muss ärztlich überwacht werden.

Andere Medikamente (Betablocker, Sedativa)

Seltener und meist nur dann eingesetzt, wenn Stress oder Angst als Hauptauslöser für das Schwitzen identifiziert werden.

Behandlung mit Botox (Botulinumtoxin-Injektionen)

Die Injektion von Botulinumtoxin Typ A ist eine sehr wirksame und anerkannte Behandlung für die fokale Hyperhidrose, insbesondere der Achselhöhlen, aber auch für Hände (Hyperhidrose an den Händen) und Füße. Botulinumtoxin blockiert die Freisetzung von Acetylcholin an den Nervenenden, die die Schweißdrüsen versorgen, und legt diese so vorübergehend still. Die Wirkung hält meist mehrere Monate an.

Operative und interventionelle Verfahren

Wenn konservative und medikamentöse Therapien nicht den gewünschten Erfolg bringen, können invasivere Verfahren bei schwerer Hyperhidrose in Frage kommen.

Schweißdrüsenabsaugung (Suktionskürettage)

Hierbei werden die Schweißdrüsen im Achselbereich dauerhaft entfernt oder geschädigt. Dieses Verfahren wird hauptsächlich bei der axillären Hyperhidrose angewendet.

Schweißdrüsenentfernung (Exzision)

Die chirurgische Entfernung von Hautarealen mit Schweißdrüsen wird heute seltener durchgeführt.

Mikrowellen-Thermolyse (z.B. miraDry®)

Ein nicht-invasives Verfahren, das Mikrowellenenergie nutzt, um Schweißdrüsen in den Achseln dauerhaft zu zerstören.

Lasertherapie zur Schweißdrüsenreduktion

Verschiedene Lasertypen werden zur Zerstörung von Schweißdrüsen erprobt.

Endoskopische Thorakale Sympathektomie (ETS) / Lumbale Sympathektomie (ELS) – mit besonderer Risikobetrachtung

Ein operativer Eingriff, bei dem Teile des sympathischen Nervensystems, das die Schweißabsonderung steuert, durchtrennt werden. Dies ist eine letzte Option bei sehr schwerer Hyperhidrose der Hände (palmare Hyperhidrose) oder Füße (plantare Hyperhidrose). Ein erhebliches Risiko ist das kompensatorische Schwitzen, bei dem Betroffene an anderen Körperstellen vermehrt zu schwitzen beginnen.

Psychologische Aspekte und Unterstützung für Betroffene

Der Leidensdruck durch Hyperhidrose kann erheblich sein. Eine psychologische Beratung oder Psychotherapie kann Betroffenen helfen, den Umgang mit der Erkrankung zu erlernen, Selbstbewusstsein zu stärken und Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Oftmals bessert sich das psychische Wohlbefinden bereits durch eine erfolgreiche Behandlung der Hyperhidrose.

Welcher Arzt ist der richtige Ansprechpartner?

Der erste Ansprechpartner ist oft der Hausarzt. Spezialisten für Hyperhidrose sind in der Regel Dermatologen (Hautärzte), können aber auch Neurologen oder Endokrinologen sein, insbesondere wenn eine sekundäre Form der Hyperhidrose vermutet wird oder spezifische Behandlungen wie die Einnahme bestimmter Medikamente oder Botulinumtoxin-Injektionen erforderlich sind.